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Von Fachkräfteeinwanderungsgesetz bis menschenzentrierter Personalarbeit

Jenaer Allianz für Fachkräfte diskutiert Auslandsrekrutierung und Potentiale vor Ort
 

Ab Ende des Jahres wird es für Jenaer Unternehmen deutlich unbürokratischer, internationale Fachkräfte einzustellen. Welche Vorteile sich für die lokale Wirtschaft ergeben, wenn im November das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz („FEG“) in Kraft tritt, diskutierten am vergangenen Donnerstag rund 50 Teilnehmende der 11. Jahressitzung der „Jenaer Allianz für Fachkräfte“. Dieses Netzwerk trifft sich einmal jährlich, um neue Wege zu erörtern, wie nachhaltige Fachkräftegewinnung am Standort Jena gemeinsam gestaltet werden kann. Mit dabei sind Vertreterinnen und Vertreter aus Unternehmen, Wirtschaftsverbänden, Agentur für Arbeit, Land und Kommune, Bildungsbereich und Hochschulen.  

 

Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Mehr Planungssicherheit für Unternehmen

 

„Die Jenaer Unternehmen können deutlich vom neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz profitieren, wenn die Rahmenbedingungen passen“, so JenaWirtschaft-Geschäftsführer Wilfried Röpke. „Vor Ort haben wir mit dem Welcome Center Jena eine konkrete erste Anlaufstelle für internationale Fachkräfte, in der sie umfassend beraten und bei Bedarf begleitet werden.“ Außerdem helfe auch die Personalaufstockung beim Jenaer Fachdienst Zuwanderung und Aufenthalt/ Team Ausländerservice. Die Vorteile des neuen „FEG“ für Jena liegen auf der Hand. Laut Impulsvortrag von Stefan Scholz von der Arbeitsagentur Thüringen Ost führt das neue Gesetz zu mehr Flexibilität bei den Zielberufen. „Da beispielsweise der Feinoptiker außerhalb der EU gar nicht ausgebildet wird, konnten die Unternehmen bislang niemanden mit dieser Qualifikation mit internationalem Hintergrund einstellen. Mit der Gesetzesnovelle wird insgesamt mehr auf berufliche Qualifikationen und weniger auf formelle Titel gesetzt.“ Weiterhin sinken die bislang hohen Einkommensgrenzen für ausländische akademische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch der mögliche Aufenthalt für Fachkräfte nach einer abgeschlossenen Ausbildung werde verlängert, so Scholz. Damit erhalten die Unternehmen mehr Planungssicherheit. Das Gesetz sei „ein Schritt in die richtige Richtung, um mehr arbeitsbezogene Zuwanderung zu ermöglichen.“

 

Personalmanagement auf neuen Wegen - und aufwendiger

 

Die lokale Wirtschaft müsse den Blick aber auch nach innen richten, sagte vor Ort unter anderem Prof. Michael Behr vom Thüringer Arbeitsministerium. Aktuell seien Thüringen und Sachsen-Anhalt die einzigen Bundesländer, in denen der Anteil der deutschen Arbeitnehmenden nicht wachse. „Wir werden in den nächsten 10-15 Jahren einen demografischen Tsunami erleben“, so Behr. Unternehmen müssen sich daher auch darauf fokussieren, ihre Mitarbeitenden zu binden und auch bei Bewerbungen die Talente und Menschen hinter den Dokumenten zu sehen, resümierte Nadin Riedl, Leiterin und Prokuristin des Jenaer Bildungszentrums. Dazu gehöre auch, beispielsweise Bewerbende mit nicht ganz geradlinigen Lebensläufen zu Gesprächen einzuladen. Auch alternative Wege wie Quereinstieg oder Ausbildung in Teilzeit bieten Möglichkeiten, neue Fachkräfte zu gewinnen. Dies bedeutet für Unternehmen, dass Personalmanagement aufwendiger wird. Besonders kleine und mittelständische Firmen sowie Handwerksbetriebe werden in den kommenden Jahren noch stärker gefordert, innerbetriebliche Prozesse zu beleuchten, Mitarbeitende zu binden und neue zu gewinnen.

„Die Arbeit der Jenaer Allianz ist es, mit Hilfe der Schwarmintelligenz aller Akteur:innen gute Ideen zu entwickeln und sich über Lösungsansätze auszutauschen“, so Wilfried Röpke. „Wir bieten mit unserer Jahressitzung, Workshops und vielen weiteren Angebote den Rahmen, um gute Beispiele und Unterstützungsstrukturen besonders für KMU und Handwerksbetriebe sichtbar zu machen.“ Gefragt sei besonders die Zusammenarbeit der lokalen und regionalen Partner: neben der Wirtschaftsförderung seien das die Agentur für Arbeit, die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern.

Trotzdem gilt: die Herausforderungen bleiben. Insgesamt sei die Fachkräfte-Problematik nicht „durch den einen Knopf, den man drücken muss, zu lösen“, sagte auch Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche, der Schirmherr der Jenaer Allianz für Fachkräfte ist. „Wir müssen lernen, innerhalb des Mangels gut zurechtzukommen, denn der Bedarf an Arbeitskräften wird sich nicht vollständig lösen lassen.“ Neben einer guten beruflichen Orientierung, Zuwanderung und guter Werbung für den Standort Jena gehöre es auch dazu, Prozesse zu optimieren und zu digitalisieren, um mit weniger Personal gut arbeiten zu können.

 

Hintergrund: Jenaer Allianz für Fachkräfte

 

In der Jenaer Allianz für Fachkräfte (JAfF) kommen seit 2012 Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kommune und Bildungseinrichtungen aus Jena und der Region zusammen, um die Herausforderungen bei der Fachkräfteentwicklung in Jena zu meistern.  Als Leitung der JAfF übernimmt JenaWirtschaft Verantwortung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaft und Wissenschaft. Die JAfF lebt vom Engagement ihrer Mitglieder:innen, um bedarfsorientiert und effektiv Fachkräfte für Jena zu begeistern. Die Teilnehmenden sind eingeladen, ihre Expertise einzubringen und im Gegenzug vom ausgezeichneten Netzwerk und letztlich von einem erfolgreichen Standort Jena zu profitieren.

 

Zur Jahressitzung der Jenaer Allianz für Fachkräfte am 07.09.2023 wurden folgende Themen diskutiert:

  • Zuwanderung und Fachkräfteeinwanderungsgesetz: „Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ - Chancen und Begrenzungen“, Input Stefan Scholz, Agentur für Arbeit Thüringen-Ost
    Fish-bowl Diskussion  zu "Fachkräfteeinwanderungsgesetz – Chancen nutzen, Rahmenbedingungen verbessern“ mit
    • Stefan Scholz (Agentur für Arbeit Jena),
    • Prof. Dr. Michael Behr (Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie),
    • Cornelia Meyerrose (Welcome Center Jena), 
    • Olaf Schroth (Stadtverwaltung Jena),
    • Natalja Bajkovski (OptoNet e.V.)

       
  • Endogene und innerbetriebliche Potenziale: "Menschzentrierte Personalarbeit“, Input Dr. Nadin Riedl JENAER BILDUNGSZENTRUM gGmbH -SCHOTT CARL ZEISS JENOPTIK
    Fish-bowl Diskussion  zu "Fish-bowl Diskussion „WIRKorte – wo können wir aktiv werden, um Vor-Ort- und innerbetriebliche Potenziale zu nutzen“ mit
    • Dr. Nadin Riedl,
    • Dr. Thomas Nitzsche (Oberbürgermeister Stadt Jena), 
    • Manuela Vogt (Kreishandwerkerschaft Jena SHK), 
    • Thomas Schran (Sparkasse Jena Saale-Holzland),
    • Matthias Säckl (IHK Ostthüringen zu Gera)